Als die Ankündigung von Mamamachtsachen kam, zögerte ich erst eine ganze Weile. Schloss Noer ist nicht weit entfernt von meinem Wohnort, ein absoluter Pluspunkt zu den anderen Veranstaltungsorten wie Bielefeld oder Würzburg.
ABER -
Als relativer Nähneuling?
Mit lauter Fremden?
Im Vierbettzimmer??!!
Doch es überwog schließlich die Neugier, "Bekannte" aus der virtuellen Welt in der Realität kennen zu lernen, und ein ganzes langes Wochenende in der Gesellschaft Gleichgesinnter dem Hobby zu frönen.
Und - die Entscheidung war goldrichtig. Es war so ein tolles Wochenende!
Am Donnerstagnachmittag erfolgte die Anreise bei bestem Wetter. Das Auto war vollgepackt mit Nähmaschinen, Spiegel, Bügelbrett etc., und so war das Einchecken, Zimmer beziehen und Nähplatz einrichten zuerst etwas chaotisch.
Die Unterbringung war wie beschrieben im Vierbettzimmer (mit deutlich verbesserungswürdigen Betten, aber immerhin hat man uns Etagenbetten vorenthalten).
Meine Angst vor unbekannten Zimmergenossen war unbegründet. Zusammen mit Birgit, Petra und Cathrin ergab sich ein sehr harmonisches Team. Auch die drei Duschen im Damenwaschraum übern Flur waren eigentlich kein Thema, die Wartezeiten am Morgen hielten sich im Rahmen, und am 2. Tag hatten wir auch verstanden, dass mangels männlicher Belegung auf dem Flur auch der Herrenwaschraum mit benutzt werden konnte.
Was immer zur Erheiterung beitrug, waren die Mahlzeiten. Streng festgelegt - 8h Frühstück, 12 h Mittagessen, 18 h Abendbrot, wie bei Oma. Und obwohl serviert im Schloss doch sehr rustikal in der Anmutung. Der Durft des wohlbekannten Jugendherbergstees in den obligatorischen Edelstahlkannen am ersten Abend versetzte uns alle mindestens 30 Jahre zurück. Was für ein Jungbrunnen!
Insgesamt aber war das Essen zwar einfach, aber schmackhaft, das Küchenpersonal extrem nett, und auch Sonderwünsche für Vegetarier und andere Diäten wurden erfüllt.
Am Donnerstagabend stellten wir uns alle einander vor und skizzierten unsere Projekte, die auf der Projektpinnwand ausgestellt wurden. Wie beeindruckend, was da alles zusammenkam!
Angesichts der teilweise sehr ehrgeizigen Projekte und des beachtlichen Maschinenparks, der da aufgebaut war, war mir doch ein bisschen kleinlaut zumute mit meiner kleinen treuen Brother-Maschine und der billigen Ovi. Wie sich aber herausstellte, war das aber überhaupt kein Thema.
Und dann ging, oft in drangvoller Enge, das Nähen los.
Mein Projekt, eine Trenchjacke nach einem Ottobre-Schnitt, machte zunächst große Fortschritte - wies aber bei der Anprobe massive Passformprobleme auf. Hier machte sich die Anwesenheit geballter Nähkompetenz bezahlt. Mamamachtsachen und Epilele-Unikat steckten ab, was das Zeug hielt und gaben mir massenweise Tipps, wie ich die Änderungen umsetzen sollte. Am Ende des Freitags hatte ich so einen gut passenden Obermantel vorzuweisen. Ohne die beiden wäre das nie was geworden. Ganz lieben Dank noch mal auf diesem Wege!!!
Hier im Reitstall waren Näh- und Bügelzimmer untergebracht. |
Mamamachtsachen und Küstensocke konfrontierten mich dann allerdings mit einem Kindheitstrauma - der Mangel brauche SCHULTERPOLSTER!! Was? Die sind so was von 80er! Kommt gar nicht in die Tüte! Aber - wie auch einige Mitnäherinnen bei ihren Projekten - ich musste mich schließlich der Unerbittlichkeit der Mitnäherinnen beugen. Ok, der Mantel sollte seine Polster bekommen.
Gut, dass es im nahegelegenen Eckernförde einen kleinen, aber gut sortierten Stoffladen gibt. Zusammen mit Frau Vigeliensch und Frau Overluck, denen auch noch Kleinigkeiten fehlten, wurde dieser am Samstagvormittag besucht (was für ein Zufall - auch andere Mitstreiterinnen wurden dort gesichtet), die notwendigen Utensilien besorgt, und nach einem Belohnungscappuccino in einem netten Café ging es wieder zurück an die Nähmaschine. Von Frau Küstensocke erhielt ich eine Unterrichtsstunde zum Thema "Annähen von Schulterpolstern", und am Nachmittag wurde am Mantelfutter genäht.
Zwischendurch war allerdings auch Zeit für einen kurzen Besuch am nahegelegenen Strand:
Was mir richtig gut gefallen hat war, dass es so gut wie keine "Anlaufschwierigkeiten" unter den Näherinnen gab. Am Nähtisch hatte man zwar feste Besatzung - mit Güde und Sabine (Frau Dashabichselbstgemacht) gab es viel Gelächter und auch gute Gespräche, das war eine sehr gute Kombination. Insbesondere das reichhaltige Prym-Sortiment von Sabine hat mich in großes Staunen versetzt. Ich muss wohl mal einen längeren Aufenthalt im Zubehörbereich des örtlichen Stoffdealers einplanen. Bei den Mahlzeiten, im Kaminzimmer beim Kaffee, Kuchen und dem Stoffetauschtisch und auch abends beim Glas Sekt oder Wein ergaben sich aber immer neue Kombinationen, und immer ergaben sich Gespräche, die nicht nur ums Nähen gingen. Besonders spannend fand ich die Tatsache, dass es kaum von Interesse war, was jemand beruflich macht und "was man ist" - sehr sehr entspannend.
Am Samstagabend war mein Mantel so gut wie fertig. Die liebe Anna und Küstensocke halfen mir ganz rührend beim Füttern der Ärmel (ich hoffe, ich behalte den Trick mit dem Verstürzen) und des Gehschlitzes - ohne Euch beide hätte ich auch das nicht geschafft, danke dafür!
Die späteren Stunden verbrachte ich mit dem Steppen von Schulterklappen, Gürtel und Ärmelriegeln.
Das Wenden dieser kleinen, schmalen Teile gelang mir wiederum mit einem erstaunlichen Wendewerkzeug - wiederum von Prym - auf dem schicksten Bügelbrett der Runde:
Am Sonntagmorgen half mir die liebe Anna wiederum ganz selbstlos mit dem Anbringen der Knopflöcher (ich durfte sogar an ihre Turbomaschine, was war ich aufgeregt!), und noch vor dem Mittagessen habe ich die Knöpfe angenäht. Somit war mein Mantel zur abschließenden Modenschau am Nachmittag zwar noch nicht ganz fertig, aber vorzeigbar. Und ich bin SOOO stolz!
Mein Fazit des Wochenendes:
Es war eng. Es gab wenig Schlaf. Es gab unvergleichliches Jugendherbergsfeeling. Es gab ein tolles Gemeinschaftsgefühl und sehr viel Hilfsbereitschaft. Es gab Unmengen an Nähzubehör zu bestaunen und auszuprobieren. Und es gab eine Menge neuer Bekanntschaften, von denen einige vielleicht sogar Bestand haben könnten.
Ich bin immer noch ganz begeistert von diesem tollen Erlebnis - und wenn es irgend geht, werde ich beim nächsten Mal wieder teilnehmen.
Meinen Mantel gibt es nächste Woche bei MMM zu sehen - denn der wurde schon fleißig ausgeführt. Und er wird mich immer an mein erstes Nähbloggerinnentreffen erinnern!
Die Geschichten der anderen Teilnehmerinnen werden hier (<klick>) gesammelt. Viel Spaß bei der Nachlese.
4 Kommentare:
Ein toller Bericht und mein Bügelbrett wurde auch gezeigt!
Es war super nett mit dir!
LG Monika
Das hast du sehr schön geschrieben, meine Liebe und vielen Dank für die Lorbeeren. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht mit dir zu arbeiten und würde mich sehr freuen, dich wieder zu sehen. Lg Anna
Oh ja, Anna, das wäre toll! Immerhin bin ich ja mitsamt Trenchjacke letzte Woche knapp bei dir vorbeigefahren :)
Ja, liebe Sandra, da muss ich Anna recht geben. Du hast das Ganze sehr schön beschrieben und ich bin ganz neugierig, was die anderen nähverrückten Frauen alles über diese tollen Tage schreiben werden.Ich fand ja, dass es für alle Frauen ganz selbstverständlich war, zu helfen, oder gemeinsam Ideen zu entwickeln, oder, oder ...Mir persönlich hat genau das sehr viel Spass gemacht, denn durch dieses gemeinsame Helfen und die Gespräche und Tipps der anderen, dadurch lerne ich immer wieder dazu. Ich bin erst seit gestern aus meinem Urlaub zurück, werde aber auch noch ein paar Zeilen über diese schöne gemeinsame Zeit schreiben. Schade war ja wirklich, dass ich am Sonntag schon so früh fahren musste. Aber durch die diversen Artikel darüber kann ich in Gedanken doch nachträglich noch dabei sein. Sehr gespannt bin ich darauf, Deinen Mantel beim MMM zu sehen, ich meine, so richtig fertig, mit allem Drum und Dran. Es war toll, Dich und die anderen Mädels kennen zu lernen.
Ganz liebe Grüße Elisabeth
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