Lange habe ich überlegt, was ich wohl zum Thema beitragen könnte. Ringel, Punkte, inzwischen sogar Tiere - alles das findet sich in meiner selbstgenähten Garderobe. Aber Blumen???
Doch halt: zufällig entdeckte ich beim Kramen im Shirtstapel dieses Shirt hier, das ich vergangenes Frühjahr genäht habe (hier gezeigt) und das drei Neuheiten vereinigt: Es ist grün! Es ist wild gemustert! Und zwar mit Blumen!
Hier ist der irre Stoff noch einmal von Nahem zu sehen. Er war eine spontane Liebe, der ich erlegen bin:
Allerdings war ich mir am Ende nicht mehr so sicher, ob ich den Stoff richtig- oder falschherum vernäht habe. Vielleicht stehen meine Blümchen auf dem Kopf? Egal - sind es halt hängende Gärten.
Am Kragen habe ich noch einmal rumgespielt. Der ursprünglich eingerollte Kragen war nach der ersten Wäsche außer Form geraten. Wahrscheinlich hatte ich das Kragenstück zu lang zugeschnitten und beim Nähen nicht ausreichend angezogen. So habe ich ein neues Kragenstück zugeschnitten, und es offenkantig angenäht.
Auch die Ärmelmanschetten habe ich offenkantig gelassen und mit der gleichen Ziernaht in Petrol versehen. Die offenen Kanten sind kein Problem bei der Wäsche. allerdings pillt der kiwigrüne Viskosejersey schon ziemlich, was ich sehr schade finde.
Aber (noch) trägt sich das Shirt toll und macht wegen der knalligen Farben gute Laune!
Die brauchte man auch am vergangenen Samstag, zumindest, was das Wetter anbetraf. Die Temperaturen bewegten sich wieder mal im einstelligen Bereich, und es schauerte schauerlich. Eigentlich Wetter zum Auf-der-Couch-bleiben. Aber:
Zusammen mit dem besten Ehemann von allen hatte ich mich in meinem geliebten Lübeck zu einer Stadtführung angemeldet, bei dem Angehörige des Lübecker Mittelaltervolkes mitwirkten. An verschiedenen Stationen der Führung tauchten kostümierte Figuren auf, die aus ihrem mittelalterlichen Alltag erzählten. Das war (trotz des Wetters) einfach toll! Deshalb will ich das Erlebnis mit euch teilen.
Gleich beim Holstentor trafen wir auf eine Pilgerin. Diese war auf dem Wege zu St Petri, wo sich seinerzeit die Pilger trafen, um in Gruppen (denn das war viel sicherer bei den damaligen Verhältnissen!) zu ihren jeweiligen Pilgerzielen aufzubrechen. Diese Pilgerin will nach Bad Wilsnack, um ihre Zeit im Fegefeuer zu verkürzen. Für jede Meile, die man nach Bad Wilsnack wandert, wird ein Tag im Fegefeuer erlassen, und wenn man um den Wilsnacker Dom einmal herumgeht, noch einmal 42 weitere. Uns Teilnehmern der Führung wurde dringend ans Herz gelegt, auch eine Pilgerschaft anzutreten, denn schließlich sind wir alle Sünder - diese Empfehlung gebe ich auf diesem Wege dem geneigten Leser gerne weiter.
Übrigens war der NDR bei dieser Führung mit vertreten, es wurde eifrig gefilmt für einen Beitrag, der am 3. Juni anlässlich der Feier "30 Jahre Weltkulturerbe Lübeck" ausgestahlt werden wird. Auch die lokale Zeitung war vertreten, und ich wurde sogar kurz interviewt und konnte meine Äußerungen am Sonntag in der Zeitung lesen. Da war ich schon ein bisschen stolz!
Der junge Mann rechts im Bild beging seinen Junggesellenabschied - sein Outfit passt ganz hervorragend zu unserem heutigen Motto!
Diese krummen, schiefen Häuser beherbergten früher Salzspeicher, das Gold der Hanse. Sehr praktisch, gleich an der Trave gelegen, von wo das Salz aus Lüneburg und der Hering von der Ostsee eintrafen.
Heute ist ein großes Bekleidungsgeschäft hier untergebracht, und auch wenn man wie wir selbst näht, ist ein Besuch in dem Geschäft lohnend. Drinnen kann man immer noch die alte Architektur bewundern, und zwischen den Geschossen ist noch ein Flaschenzug in Betrieb, mit dem z.B. die gewählten Kleidungsstücke aus den einzelnen Abteilungen zur Hauptkasse im Erdgeschoss geschickt werden.
Vor einem ehemaligen Kloster trafen wir auf die Köchin der dort lebenden Mönche. Sie hatte gerade auf dem Markt eingekauft und erzählte über die damaligen Essgewohnheiten. Den Mönchen ging es finanziell wohl sehr gut, denn sie konnten sich Fleisch leisten und auch Gewürze - zum Beispiel den langen Pfeffer, den es für die Teilnehmer zu kosten gab. Auch Gemüse fand sich in ihrem Korb. Getrunken wurde Bier, das es in verschiedenen Stärken gab: von 0,5% bis 16%. Davon gab es leider keine Verkostung.
Hinter dem Klosterbau versteckt sich einer der für Lübeck typischen Gänge. Wer einmal in Lübeck ist: unbedingt hinter die Vorderhäuser schauen! Denn dort gibt es so viele hübsche Höfe zu entdecken, die zum größten Teil öffentlich zugänglich sind. Hier ein Hof mit Häusern aus der Barockzeit, die immerhin etwa 100 qm Wohnfläche hergeben.
Auf unserem weiteren Weg trafen wir auf einen Kaufmann und Ratsherren in seiner prächtigen Kleidung. Der Herr trat gerade aus seinem Haus, dessen Portal der Spruch ziert "Il n'est rose sans èpine" - keine Rose ohne Dornen. Passt auch wieder schön zum heutigen floralen Motto, nicht?
Auf der letzten Station, bei der Kirche St. Petri, die auf dem rechten Foto vorwitzig über die Giebel luschert, trafen wir noch auf eine Bettlerin, die uns von ihrem schweren Schicksal als Witwe und Mutter zahlreicher Kinder erzählte, von denen es nur zwei ins Erwachsenenalter geschafft hatten. In den heute so hübschen Gängehäusern herrschte damals Enge, Dunkelheit, Kälte (die Häuser waren aus Holz gebaut, so dass kein Feuer gemacht werden durfte) und Gestank (denn im Hof war die Kloake der feinen Vorderhäuser untergebracht). Mangelernährung trug ein Weiteres bei zur schlechten Gesundheit der Ganghausbewohner, das wurde durch die Darstellung der Bettlerin sehr deutlich.
Auch nach der Blüte der Hansezeit war der reiche Lübecker Kaufmann trendbewusst, wie man in der Straße links auf dem Foto sehen kann. Hier sind Häuerfassaden aus vier Epochen nebeneinander vereint - Klassizismus, Rokoko, Barock, Spätgotik und wieder Klassizismus. Wer auf sich hielt, ließ nämlich die bestehende Fassade seines mittelalterlichen Gemäuers nach neuestem Baustil verblenden. Ich habe sogar gehört, dass es dabei total unerheblich war, ob die Fassade, insbesondere die neu gesetzten Fenster, dann noch zu den dahinterliegenden Räumen passten. Der Schein nach außen war das, was zählte, und wodurch man seinen Reichtum nach außen präsentierte.
Nach dieser langen, blumigen Schilderung bin ich gespannt, was für Blütenträume heute beim MeMadeMittwoch präsentiert werden. Ich geh gleich mal gucken...
6 Kommentare:
Vielen Dank für die STadtführung, das war sicher ein besonderes Erlebnis. Ich habe mal eine normale Stadtführung in Lübeck besucht, hat mir auch gut gefallen. tolles Shirt, macht Frühlingslaune auch wenn temperaturmäßig Winter ist. LG Kuestensocke
Das ist ja interessant, da habt Ihr bestimmt einen tollen Tag gehabt. Und für Frühlingsgefühle muss dann halt Dein Shirt sorgen. Toll ist es, ich liebe bunt!
LG Petra
Die Stadtführung hört sich ja spannend an! Danke, dass du uns ein bisschen mitgenommen hast. Lübeck ist wirklich eine sehr schöne und interessante Stadt - und nebenbei auch eine schöne Kulisse für dein Blumenshirt :-) Gute Frage, wie herum die Blumen wirklich gedacht sind. Ich mag das Grafische an dem Muster.
Liebe Grüße Christiane
Ein toller Bericht und das Blümchenshirt ist wirklich hübsch! Für mich sind die Blumen auch richtig herum!
LG Monika
Eine tolle visuelle Stadtführung von Dir, Dankeschön. Lübeck ist eine so schöne Stadt und ich bin immer wieder gerne dort zu Gast. Dein Shirt ist super, auf den ersten Blick habe ich dieses Muster nicht als Blume gesehen, erst auf den zweiten Blick. Die Farben stehen Dir gut finde ich.
Liebe Grüße Epilele
Ich finde es schaut aus wie eine Echinacea Blume und ist richtig rum.
Ein schönes Shirt.
Lg Iris
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